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  • Autorenbildvolmar.schmid

Miis Sackmesser 1


Bild und Geschichte 35

Der mit Abstand kostbarste Besitz von uns Buben war das Sackmesser (Taschenmesser): an rächte Kärli het as Sackmesser im Sack. Ein Taschenmesser war das schönste Geschenk, das man sich nur wünschen konnte; wir hatten auch einen immensen Verschleiss, denn es ging auch oft verloren. War es weg, musste ein neues her; manchmal stibitzten wir Vater altes Militärmesser (vgl. Abb.), manchmal fanden wir auch eines, oft noch bevor es der andere verloren hatte. Wir brauchten es fast ausschliesslich zum «Schnätzu» (Schnitzen), Speck oder Käse durften wir ja nicht selber schneiden und das Roggenbrot war zum Schneiden zu hart. Beim «Hirtu» gab es viel Mussezeit und die füllten wir mit Schnitzen.

In der Alpe war es vor allem «Alpunroosuholz» oder «Gaarlustüde» (Beerentraube). Die Alpenrosen hatten so schöne runde Astverzweigungen, die haben wir Abgeschnitten und aus dem «Y» haben wir unsere Spielkühe geschnitzt. Vorne wurden schön flach in der Rundung die Hörner geschnitten, die untere Seite wurde flach «abgschnätzot» damit die Kühe auch stabile auf dem Boden lagen. Kurz hinter der Astgabel wurde ein Streifen aus der Rinde geschnitten, das war der «Triichjuriemo» (Treichelriemen) und weiter hinten wurden auch einige Flecke aus der Rinde entfernt: denn wir hatten ja Schecken. Die Geissen schnitten wir aus Beerentrauben, dieses Holz war viel grüner als das Alpenrosenholz und wuchs auch gerader; zuerst schnitten wir ein ca. 10 cm langes gerades Stück Holz heraus, vorne wurde es schräg zugeschnitten, dann bekam die «Geiss» zwei Hörner, dazu schnitten wir einen Winkel in die Schräge, wieder wurde unten abgeflacht damit die Geissen stabil standen, und in der hinteren Hälfte wurde die Rinde entfernt, denn wir hatten ja Schwarzhalsziegen. Mit der Zeit wuchs die Herde, die hellgrünen Geissen kontrastierten wunderbar mit den braunen Kühen und in ganzen Reihen «wanderten» sie vor der Alphütte auf unseren Spielwegen. Natürlich gab es einen Wettstreit, wer die grösste Herde besass – in einem Sommer kam ich auf über 150 Stück.

Frühjahr und Herbst waren wir unten im Dorf, hier bevorzugten wir im Frühjahr vor allem die frischen Eschenzweige; das Eschenholz war weich und die Rinde liess sich leicht entfernen: daraus machten wir unsere «Pfiiffe» und «Flööte» (Pfeifen und Flöten). Dazu brauchten wir ein ca. 15 cm langes daumendickes Stück Holz. An der unteren Hälfte wurde die Rinde entfernt, die obere wurde oben schräg abgeschnitten, dann kam ungefähr 2 cm auf der anderen Seite der Schräge eine Kerbe rein (das Pfiiffuloch), dann wurde die Rinde geklopft. Mit Speichel haben wir die Rinde benetzt und dann mit dem Messergriff vorsichtig beklopft; vorsichtig, denn sie durfte sich nicht sprengen. Nachdem die Rinde lange genug geklopft war, wurde sie vom Holz gelöst. Von dem blanken Holz schnitt man jetzt an der Kerbe das abgeschrägte Stück ab, es wurde auf der oberen Seite abgeflacht und das Mundstück war fertig. Nun musste man vorsichtig oben das Mundstück in die Rindenröhre setzen und unten stiess man das andere Holzstück hinein und die Pfeife war fertig. Indem man das Holzstück mehr oder weniger herauszog oder hineinstiess, konnte man die Tonhöhe verändern. Für die Flöten nahmen wir einfach etwas längere Hölzer und schnitten noch zusätzlich Löcher für die Finger, aber die Flöten gerieten selten und auch die Pfeifen nicht immer, wohl darum sagten wir manchmal zu einem unserer Kameraden: «Weli Pfiifa!»

Im Herbst nahmen wir vor allem das Holz der Haselstaude, sie wuchs in langen, schön geraden, astlosen Zweigen. Aus diesen Zweigen schnitzten wir vor allem Stecken. Wander-, Hüter-, Geisselstecken, die wir auf unsere benötigte Länge zuschnitten und in deren Rinde wir die allerschönsten, geringte, gezackte, wellenförmige Verzierungen anbrachten. Erst viel später (im Geschichtsunterricht) als wir über die La Tene Zeit (450 – 50 vor Chr.) und die «Schnurkeramiker» sprachen (Die verschiedenen Epochen werden nach der Art der Verzierung ihrer Töpferwaren bezeichnet.) habe ich die Lust des Menschen erkannt, alles was er besitzt zu verzieren. Hat man diese einmal erkannt, erkennt man diese Verzierungen überall, z.B. am Wohnhaus: am Fries (Wolfszahn-, Würfel-, Kammfries…) oder an der Pfette; und da dieser Schmuck der Mode unterliegt, kann man diese Verzierungen erst noch zur Altersbestimmung nutzen. Hier wäre jetzt mal eine Geschichte zu unserem Umgang mit Kunst und Kultur fällig, aber das ist eben wieder eine andere Geschichte.

Natürlich haben wir uns oft und schlimm geschnitten, aber dann hiess es auf die Zähne beissen (Indianer kennt kein Schmerz!) ein «Nasstüech drum» (Taschentuch rumwickeln) und weiter gings. Hätte man sich bei den Eltern beklagt, hätte es ohnehin nur Scherereien gegeben, denn entweder hat man das Messer dem Vater stibitzt oder am falschen Busch einen Stock abgeschnitten oder zu wenig genau auf die Kühe aufgepasst oder…

Bürchen, 8. Mai 20

Bild: Militärmesser der Schweizer Armee 1942

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