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Bietschhorn.jpg

Bauernregeln/ Püüruregle

Hett ds Bietschorn en Huet

chunt ds Wätter guet!

Bauernregeln: (Püüruregle) ist der Oberbegriff für die gesammelten Erfahrung im Bauernjahr, die Auskunft zu Saat, Ernte, Haushalt, Alltag, Hygiene, Wetter… geben. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Wetterregeln und Zeichenregeln, die Zeichenregeln lassen sich ihrerseits in Los- und Schwendtage unterscheiden. Als Grundlage für die folgenden Ausführungen dient mir:

Hauser Albert: Bauernregeln. Eine schweizerische Sammlung mit Erläuterungen. Artemis Verlag, Zürich, 1973, die Spezialausgabe des Buchklub Ex Libris, Zürich. (Hauser)

 

Lostage: (Loosstägg, ds Zeichu) Unter Lostage versteht man Tag im Jahreskalender (Kirchenjahr) an dem sich das «Los» (Schicksal, Entscheidung) entscheidet, wie das kommende Wetter, die Ernte, das Leben wird. Lostage sind einerseits Tage: die über das kommende Wetter, Lebensphasen, Ernten entscheiden, aber anderseits das Zeichen sind (ds Zeichu) etwas zu pflanzen, etwas zu tun, z.B. Riebli setzu nur mit abgeendum Maano, Karotten pflanzen nur bei abnehmendem Mond. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Lostag.

 

Schwendtage: auch Unglückstage, sind im Gegensatz zu den Lostagen, ds Zeichu, etwas nicht zu tun, eine Tätigkeit zu unterlassen und nicht Neues begonnen werden soll. Der klassische Schwendtag ist Freitag, der 13. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Schwendtag

 

Wetterregeln: (Wätteregle, Wätterzeichu) Einerseits bestimmt das Wetter eines bestimmten Tages, das Wetter eines weiteren Zeitraums z.B. «War bis zu Dreikönig kein rechter Winter, dann kommt auch keiner mehr dahinter.“ Oder es sind anderseits sogenannte Wetterzeichen, z. B. „Abendrot, Morgenkot.“ Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Bauernregel.

Die wohl untrüglichste und sicherste Wetterregel ist wohl:

Chreet der Hano uf dum Mischt,

ändrot ds Wätter oder äs bliibt wies ischt!

Solche und ähnlich Wetter- bzw. «lustige» Bauernregeln finde man zuhauf, meistens derb, oft sexistisch im Stil von: «Geht die Bäuerin in die Breite, such der Bauer rasch das Weite.» Auf weiter Beispiele in diesem Stil möchte ich im Folgenden verzichten, es ist aber schwierig, die verschiedenen Regeln klar nach der obigen Definition zu trennen, deshalb möchte ich hier in einer lockeren Aufzählung weiterfahren.

 

Bei Saat oder bei Pflanzungen hielt man sich oft genau an ds Zeichu, ich kenne noch heute Leute, die sich bei all ihren Tätigkeiten streng an die Zeichen halten, sei es fürs Pflanzen, Nägel schneiden, Fenster putzen usf. als Grundlage dient ihnen heutzutage ein Mondkalender, früher war es in unserer Region die Brattig, der «Freiburger Walliser Volkskalender», beliebt war auch der «Zuger Kalender»; nicht zuletzt für uns Kinder das grosse Einmaleins in einer Pyramide auf der Umschlagsrückseite bis 25 x 25. Ich erinnere mich an meine Schwiegermutter und das Rüebli säen: das durfte nur bei richtigem Zeichen passieren: abgeende Maano und d Fischa (Lostag), beim Zeichen Krebs zu säen, war ein absolutes No-go (Schwendtag). Manchmal traf dieser Lostag schon Ende März, manchmal erst viel später ein. Nach dem Freiburger Walliser Volkskalender war es 1970 der 1. und 2. Mai und wehe, die Kinder hatten an diesem Tag keine Zeit, ihr zu helfen.

Freiburg Walliser Volkskalender 1970.jpg

Ausschnitt aus dem Freiburger Walliser Volkskalender, 1970, zum Monat Januar: ds Zeichu ergibt sich aus dem Datum, dem Sternzeichen und dem Mond; z.B. Dienstag, der 6. Januar (Dreikönigen) ist im Zeichen des Schützen und der letzte Tag zunehmender Mond; am 7. 1. 70 um 21 Uhr 36 ist Vollmond im Zeichen des Steinbocks.

Grundregeln

Alls, wa in du Bodo geit (Rüben, Möhren, Kartoffeln), bi apgeendum Maano, als, wa uss dum Bodo chunt, (Erbsen, Lauch, Bohnen), bi üffgeendum Maano. Alles, was in den Boden geht, bei abnehmendem Mond, alles, was aus dem Boden rauskommt, bei aufgehendem.

Nägil und Haar schniidot mu bi apgeendum Maano, suscht wagsuntsch ds schnäll wider. Nägel und Haare schneidet man bei abgehendem Mond, sonst wachsen sie zu schnell wieder.

Früestucku wie an Chinig, z Mittag ässu' wie an Püür und de Nacht wie an Bättler. 'Frühstücken wie ein König, zu Mittag essen wie ein Bauer und das Nachtessen wie ein Bettler.• Das soll erstens gut für die Linie sein und zweitens kann man so am besten arbeiten. (Ernen).

Güetets nit so rickts. Kommt es zwar noch lange nich zu Ende, geht es (eine Arbeit) doch vorwärts. Wird aber auch gebraucht, wenn eine Arbeit

fast vollendet ist.

Was d Chelti abhet, het d Hitz öü ab. 'Was gegen die Kälte schützt, schützt auch gegen die Hitze.' (Ausserberg)

Kaffee muss sein: Schwaarz  wie der Tiifil, heiss wie d Hell und siesse wie d Liebi. 'Schwarz wie der Teufel, heiss wie die Hölle und süss wie die Liebe.• (Ernen).

 

Ladu und faaru dass du chascht  bifälu und ni t ds Faarzig. 'Laden

 

und fahren, dass du befehlen kannst und nicht das Fahrzeug.' Dies ist besonders bem Holzschlitteln der Fall. (Lötschental).

Im schönu Wätter nimmt  mu der Tschoopo  mit eim, im leidu het mu

d Weli.  Bei schönem Wetter nimmt man die Jacke (Wetterschutz) mit, bei schlechtem Wetter hat man die Wahl (ob man die Jacke mitnehmen will).' Im Ge­birge kann man jederzeit vom schlechten Wetter überrascht werden. (Lötschental).

Willt kei Wupple im Hüüs, müescht d Spinna erschlaa, hescht aber Fleige im Stall, so lach schi la gaa.. 'Willst du keine Spinnengewebe (Wupple) im Haus haben, musst du die Spinne totschlagen, willst du aber keine Fliegen im Stall, musst du sie (die Spinne) leben lassen.' Die Spinne frisst die Fliegen (die als Krankheitserreger schädlich sind).

(Schnidrig, Sprachspiegel, s. 119).

Stellscht Opscht statt  Zucker uff du Tisch, hescht diini Zänt bis achzig bischt. Stellst du Obst, statt Zucker auf den Tisch, hast du deine Zähne bis du' achzig bist. (Kreuzer, das Land an  der jungen Rhone, S. 147)

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Lostage

 

An Liechtmääss stiigt d Chelti An Maria Lichtmess (2. Februar) steigt die Kälte, vorher kommt es oft zu einem Kältesee, so dass die Temperaturen im Grund (Brig, Visp) höher sind als in der Höhe (z.B. Rosswald oder Bürchen); nach Lichtmess is es in der Höhe immer Kälter.

Hett d Liechtmäss noch an Wolcha wie as Oxuhooru

ischt no nit ganz verlooru.

Hat Lichtmess (2. Febr.) eine Wolke nicht grösser als ein Ochsenhorn, ist sie noch nicht ganz verloren. Schönes Wetter an Lichtmess ist ein schlechtes Zeichen für die kommenden Monate. (St. German, Hauser, S. 213)

Sankt Peeter und Sankt Mattiis (22. und 24. Feb.) brächent ds IIsch;

finnuntsch kcheis, so machunts eis.

Sankt Peter und Sankt Mathias brechen das Eis,

finden sie keins, machen sie eins. (St. German, Hauser, S. 216)

Schniits zwischunt St. Peeter und Mattiis,

so gäbes no vierunddriissig.

Schneit es zwischen St. Peter und Mathias

so gäbe es noch vierundreissig (mal Schnee). (Oberems, Hauser, S. 216)

Im Merzu in der Äscha,

im Aberellu mit der Fläscha,

im Meiju mit dum Zuber,

das triibe alli Reib uber.

Im März mit der Asche (wenig Regen); im April mit der Flasche (etwas Regen), im Mai mit der Zuber (viel Regen) treibt alle Ernten (Raub) über.

Märzuschnee und Wiiberwee

gseet mu ds Mittag niene mee.

Märzenschnee und Weiberweh, sieht man mittags nirgends mehr.

Ein wichtiger Zeitpunkt im Mai sind d Iischheiligu (Eisheiligen), 11. – 15. Mai (Marmentus, Servatus, Pankratius, Bonifatius und Sophia) besonders hervor stachen Bonifatius, der als Boonudieb galt, d.h. Bohnen, die man vor Bonifatius pflanzte, gediehen nicht, und die Chaalt Soffi, sie bezeichnete das Ende der Eisheiligen und war ein Lostag, ab dem man mit dem Pflanzen von Kälte empfindlichem Gemüse (Bohnen, Tomaten) beginnen konnte.

 (https://de.wikipedia.org/wiki/Eisheilige

Nass und chaalt git eppis, trochu und chaalt git nix.

Nass und kalt gibt etwas, trocken und kalt gibt nichts.

Schniits in di Palma, schniits in ds Chooru,

de geit as Fischji Chooru verlooru.

Schneit es am Palmsonntag, so schneit es ins Korn, dann geht ein Fischi (= altes Kornmass) Korn verloren. (St. German, Hauser, S. 192)

Ds Pfingschtu geits am ringschtu! An Pfingsten gehts am einfachsten, sagten wir immer, aber was und warum?: keine Ahnung, vielleicht geht es uns wie Morgensterns "Wiesel": wir tatens um des Reimes willen.

Wie d Huntstägg am Afang, soo ischt öü ds Ändi.

Wie die Hundstage (22. Juli - 22. August nach dem Sternbild des Grossen Hund) am Anfang, so sind sie auch am Schluss.

Soo wie ds Sankt Bartlomee

soo chunts im Herbscht no mee.

Wie das Wetter an Sankt Bartholomäus (24. August), so präsentiert es sich im Herbst (Brigerbad, Hauser, S. 253)

Wills as güets Jaar gää und graatu der Wii,

müess ds Wiwannis im Öügschtu schneefrii sii.

Will es ein gutes Jahr geben und der Wein geraten (gut reifen) muss das Wiwannihorn (oberhalb Ausserberg, 3000 M.ü.M., mit einer nach Süden exponierten grossen Wanne, daher auch der Name: wie eine Wanne) schneefrei sein. (Visp, Spruch im ehemaligen Rest. Wiwanni).

Z sant Bartlomee

kchei Bräme mee!

St. Bartholomäus (24. Aug.) keine Bremen mehr (St. German, Hauser, S. 334)

Sankt Vereena hipsch und schee

am drittu Tagg Rägo oder Schnee,

wa nitt no ee.

Sankt Verena (1. Sept.) hübsch und schön, am dritten Tag Regen oder Schnee, wenn nicht noch eher. (St. German, Hauser, S. 256)

Simonjüüdi bringt der Schnee in d Stüüde.

Simon und Judas (28. Okt.) bring den Schnee in die Stauden (St. German, Hauser, S. 263)

We in der eerschtu Adväntwuchu chaalt und stäng ischt, so bliibts vier Wuche soo. Ist es in der ersten Adventswoche kalt und streng, so bleibt es vier Wochen so. (Ausserberg, Hauser, S. 272)

Wenn nass und kalt der Juni war

verdirbt er meist das ganze Jahr. (Ausserberg, Hauser, S. 308)

Wenns im Oktober Wätterlüüchtot,

gliichet der Winter de Lüüne vam Aberello.

Wenns im Oktober Wetterleuchtet,

der Winter dem April an Launen gleicht. (Ausserberg, Hauser, S. 312)

Sperrt der Winter dich früe in ds Hüss,

laat är di früe wider üss.

Sperrt der Winter früh das Haus,

lässt er auch früh die wieder hinaus. (Ausserberg, Hauser, S. 317)

Schwendtage: Verwoorfni Tägg / Verworfene Tage

Unter verworfenen Tagen, auch Schwendtage genannt, verstand man Tage, an denen man nichts Neues beginnen durfte, weder eine neue Arbeit noch Reisen. Auch der damals viel geübte Aderlaß wurde an Schwendtagen nicht durchgeführt. Als "dies atri" waren die verworfenen Tage schon den Römern bekannt.

verworfene Tage nach Hauser, S. 279

Im Januar: der 1., 2.., 6., 11., 17. und 18. Tag.

Im Februar: der 8., 16. und 17. Tag.

Im März: der 1., 12.., 13. und  15. Tag.

Im April: der 3., q.,  17. und 30.Tag.

Im Mai: der 8., 10., 17. und 30.Tag.

Im Juni: der 1. und 7. Tag.

Im Juli: der 1., 5. und 6.Tag.

Im August: der 1., 3., 18. und 20. Tag.

im September: der 15., 18. und 30. Tag.

Im Oktober: der 1., 7. und 18. Tag.

Im November: der 1., 7. und II, Tag.

Im Dezember: der 1., 7. und 11. Tag.

Ds Zeichu

Wochentage

Fürs Wallis (Unterwallis) habe ich die folgenden Wochentage gefunden:

In Ollon wurden die Alpen nur Dienstag und Donnerstag bestossen. (Hauser, S. 280)

Pflanzt man den Hanf am ersten Freitag im Mai, so fressen ihn die Vögel nicht auf. (Savièse, Hauser, S. 282)

Derjenige, den man am Freitag beerdigt, zieht bald einmal ein Familienmitglied nach. (Savièse, Hauser, S. 285)

Wer am Freitag lacht, weint am Sonntag. (Savièse, Hauser, S. 282)

Schleife dein Werkzeuge nie an einem Mittwoch oder Freitag. (Wallis, Hauser, S. 285)

Ziehe nie an einem Freitag um. (Wallis, Hauser, S. 286)

Der Sonntag bringt Unglück, wenn man ihn durch Arbeit entheiligt. (Wallis, Hauser, S. 287)

Korrelationstage

Korrelationstage sind Tage, die in einer Beziehung (Korrelation) zu einander stehen, nach dem Prinzip, wenn... so dann.

Hockt d Chatza an der Sunnu im Januaar,

liggotsch am Ofo im Februar.

Sonnt die Katze sich im Januar,

liegt am Ofen sie im Februar. (Ausserber, nach Hauser, S. 297)

Märzu Schnee und Wiiberwee,

gseet mu ds Mittag niene mee.

Märzenschnee und Weiberschmerz, sind am Mittag weg.

Ischt der März vill z hipscht

im Mai woll Schnee not gischt.

Ist der März viel zu schön, gibt es im Mai noch Schnee (nach Hauser, S. 304)

Tiere als Wetterpropheten

Wenn d Murmunde früe tient hewwu,

so gits an frieje Winter.

Wenn die Murmeltiere früh heuen, gibts eine frühen Winter. (Grengiols, Hauser, S. 363)

Wenn d Schwalbe teif fleigunt, so chunt as Gwitter.

Fliegen die Schwalben tief, folgt ein Gewitter.

Sind Hänne am Aabund früe uff dum Sädol,

isst amNaatagg hipsch.

Sind die Hühner früh auf dem Hühnersitz, ist das Wetter am Nachtag schön. (Simplon Dorf, Hauser, S. 398)

A Hüffo Wäschgini git an trochunde Herbscht.

Viele Wespen ergeben einen trockenen Herbst (Erner, Hauser, S. 408)

Zum Schluss

Im Wallis wurden viele Bittprozessionen für oder gegen Regen, Gletscherwuchs... abgehalten. Spötter meinten dazu: Hetts nit Grägnot, hets weenigstens nit gibrännt. Oder profaner: Nitz ds nit, soo schadots nit!

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