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Sälber uber die Broottricka mägu...

Bild und Geschichte


Die Brootricka (Brotschachtel, Brottruhe) oft auch Spiistricka, war so etwas wie der heilige Gral des Haushalts. In einer festen Holzkiste oder einen festen Korb (ds Brootchorbji) wurden die alltäglichen Lebensmittel (d Spiiss) aufbewahrt. Es war eine feste Kiste oder ein Gitterkorb und schützte vor Fliegen, Mäusen, Kinder und allerhand Ungeziefer; bei uns zu Hause wurde sie nach der Renovation im Jahr 1955 in den Chuchischaft (Küchenschrank) eingebaut und verschliessbar. Sie enthielt die Lebensmittel des täglichen Gebrauch, Käse, Speck, Butter, Hauswurst, Konfitüre und natürlich den Namensgeber Brot.

Kühlschränke gab es nicht, zwar kamen Ende der Fünfziger gemeinsame Gefrierfächer auf (man konnte an einem zentralen Ort in einem genossenschaftlichen Kühlhaus ein Fach mieten, das man dann nach dem Metzen mit Frischfleisch füllte und in dem man dann jeweils am Samstagabend sich den Sonntagsbraten abholte.) In die Brootricka kamen abgeschnittene Stücke der luftgetrockneten Lebensmittel (vgl. Walliserspiis) aus dem Spiicher oder dem Unnertach.

Hauptbestandteil war natürlich das namensgebende Brot, am Sonntag gab es Weissbrot, Tretscha (Zopf), Rieja (Flachbrot aus gereinigtem Weissmehl) oder Pittilbroot (Brot aus besonders fein gemahlenem Roggenmehl), sonst immer Roggenbrot.

Wir übergaben das Korn dem Bäcker und konnten dafür Brot abholen. War das Roggenbrot alle, musste eines der Kinder mit der Tschifra hinauf zum Bäcker, der lud ihm in der Regel fünf 2 Kilo Laibe ein und mit dieser schweren Last gings zurück ins Haus. Hier wurde das Brot zunächst im Estrich in die Brootleitra gelegt, ein Laib wurde angeschnitten und kam für den laufenden Verzehr in die Broottricka. Natürlich wurden die letzten Laibe steinhart, aber bei uns hiess es: Herts Broot isch nit herts Broot, kcheis Broot ischt herts Broot (Hartes Brot ist nicht hart, kein Brot ist hart.) Das Chäschu (Kauen, Knabbern) an einem Tuggol (Stück, Happen) Roggubroot hat uns damals den Zahnarzt ersetzt; ich schmeck es noch heute im Munde: «die vom Speichel weich gewordene Masse, des kernigen, süsssauerbrotigen, mit scharfen Zähnen abgeschabten Sauerteigbrotes!»

Absolute Herrin über die Brottricka war die Hausherrin, in einem mehrgenerationen Haushalt (oft lebten auch noch die Grosseltern und manchmal jüngere Geschwister oder Schwaagervolch (Schwager und/oder Schwägerin) im gleichen Haushalt, unsere Mutter. Wir Kinder durften uns unter keinen Umständen selbständig bedienen. Meisten war die Brootricka oder der Brotkorb sowieso so hoch, dass wir Kinder auf ein Stubälli (Schemel, Hocker) steigen mussten, um sie überhaupt zu erreichen. Daher komm auch das Sprichwort: Waart nummu, bis diini Chind sälber uber d Spiistricka mägunt! (vgl. Walliser Sprichwörter). Nach dem deutschen Sprichwort: «Kleine Kinder, kleine Sorgen, grosse Kinder grosse Sorgen», mahnt dieser Satz vor den zukünftigen Sorger der Eltern, werden die Kinder einmal grösser werden.

Ging jemand zu sehr in die Breite und wurde ihm eine Diät empfohlen (das Wort gab es in unserer Jungend noch nicht), sagte man zu ihm: «Appa dier ds Brootchorbji as Bitzji heecher heichu» (den Brotkorb höher hängen). Wer mich heute sieht, stellt unweigerlich fest: der mag inzwischen zum Brotkorb!

Bürchen, 17. 4. 20

Bildquelle: Brotkiste aus dem Wohnmuseum in Visperterminen

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