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  • Autorenbildvolmar.schmid

... Schwein kcha!


Bild und Geschichte 29

Von unseren Haustieren haben wir früher buchstäblich alles verwendet: die Wolle, das Fell, die Milch und das Fleisch – von Schaf, Kuh und Schwein sogar den Namen. Von letzterem war uns das Schwein, das liebste Tier: welis Ggoschi, welis Schwii, du Fäärli, grüüsige Sau oder sogar wele Ggoschung, (von frz. Cochon) wobei die letzteren zwei im Walliserdeutschen nur für Menschen gebraucht wurden. Aber nicht nur zur Titulierung unserer Mitmenschen kam uns das Schwein kommode, wir hatten es einfach zum Fressen gerne!

In der Regel kaufte man im Frühjahr zwei Ferkel, die wurden nun bis im November gemästet. Als erste mussten sie gringot (geringt) werden, dazu wurde ihnen mit einem Art Bostitch zwei Klammer vorne in die Schnauze geklemmt. Dieses «Ringu» verhinderte, dass sie die Erde aufwühlten. Unser Lehrer Thomas sagte uns einmal, dass ein Schwein mit seiner Schnauze so viel Kraft entfalten konnte, wie ein Mann mit einem Reischtiisu. Ich wusste zwar nicht, was ein Reischtiisu (Hebeleisen) war, war aber sehr beeindruckt. Da das Schwein, wie der Mensch, ein Allesfresser ist (also im Gegensatz zum Menschen, der auch Schweine isst, frass es keine Menschen), konnte man ihm d Räschte, alle Rüst- und Essresten geben. Rüstabfälle wie z.B. Häärpfilhiltsche kamen mit den Essresten, deren gab es zwar sehr wenige, denn es galt: «Was uff du Tisch chunt, wirt gässu!» in Schwiigschirr, ein Bleicheimer, heute durch das Kompostgeschirr, wenn man den eines hat, ersetzt. In einem grossen Kessel (Häfi, Jüützer) wurde der Schweinefrass (Schwiigfrääss) gekocht, meist bestand er aus kleinen Kartoffeln (Schwiigagla) oder Rüben. Meine Mutter hatte im Garten extra zwei Beete mit Runkel- oder Futterrüben, die wurden grob geschnitten und mit dem Kraut gekocht; (also, ein Rezept kann ich euch jetzt nicht so aus dem Ärmel schütteln). Im Blecheimer wurde nun das Gwäsch zur Schwiistija getragen und dort durch eine Klappe in du Schwiitrog geleert. Wie schon gesagt: wurde der Schweinestall einmal in der Woche, meist als Strafaufgabe, gereinigt.

Kein Tier war so eindeutig zum Schlachten und Verzehr vorgesehen wie das Schwein, zwar haben wir die häärzigu jungen Ferkel mit frischen Rämschfädre (Löwenzahn)und junge Sturuchiminublacke (Wiesenkerbel) gefüttert, aber wir gaben ihnen keine Namen. Im November kam die Zeit des Schlachtens, das wurde immer unter Mithilfe aller von einem Störmetzger aus dem Dorfe ausgeführt. Es war ein ganz spezieller Tag, schon am frühen morgen wurden Unmengen von Wasser geheizt, Schürzen, Tücher, Kübel und Kessel bereitgemacht, die Metzgermesser geschliffen. War alles bereit wurde das erste Schwein geholt und die Schlachtung begannt. Den eigentlichen Tötungsvorgang durften wir Kinder nicht zusehen, nachher aber mussten wir kräftig mithelfen. War alles bereit, hiess es: «Chinder verschwindu!» Und wir stoben auseinander, natürlich jeder zu einem vorher ausgekundschafteten Aussichtsplatz, von dem aus wir versteckt die ganze Aktion wunderbar überblicken konnten. Zuerst wurde das Schwein betäubt, dazu nahm man zunächst einfach eine Axt und schlug mit der Stirnseite mit aller Wucht dem Schwein auf den Kopf. Traf man gut, sackte das Schwein zusammen und es wurde gestochen, traf man nicht gut (was auch vorkam, da jede Metzgete zum Nerven stärken mit einer Schnapsrunde begann), sprang das Schwein kreischend davon und wir mussten alle gemeinsam es wieder einfangen. Später wurde dann zur Betäubung ein Bolzenschussgerät verwendet. War es betäubt, wurde es in die Halsschlagader gestochen, das herausspritzende Blut wurde mit einem Eimer unter kräftigem Rühren (damit es nicht gschtoornet) aufgefangen; in dieses Blut kamen dann schon vorbereitetes Gemüse und Gewürze, es wurde aufgebrüht und in Därme abgefüllt und aufgehängt: unsere Blutwürste; dieser Arbeitsgang musste sofort erledigt werden. Nun kam das Schwein in die Müelta (grosser Holzzuber) ins heisse Wasser, es wurde mit Harz bestreut und jetzt wurden die Borsten abgeschabt, danach wurde der Bauch aufgeschnitten und die Därme kamen in einen Zuber. Während die Männer das Schwein zerlegten, säuberten die Frauen die Därme, eine stinkende Angelegenheit! Der Magen und der Dickdarm wurde gekocht: Chuttle war ein beliebtes Menue; den Dünndarm brauchte man, wenn man keine Schafdärme hatte, zum Wursten. Vom Schwein wurde wirklich alles mit Ausnahme von Milz und Harnblase verwertet. Die Milz wurde an einer Hauswand für die Vögel aufgehängt (Aberglaube?), die Blase bekamen wir, mit einem Strohhalm bliesen wir sie auf und hatten endlich auch einen Fussball. Das meiste kam direkt in die Saalzi (Gewürzbad), es wurde später aufgehängt und luftgetrocknet und ergab Hamma, Späck und Niisli, (vgl. Walliserspiis) anderes wurde, bevor man Mitte der Fünfziger ein Gefrierfach hatte, als Ragout oder Braten sterilisiert und im Keller eingelagert. Füsse, Schwanz, die Ohren und ds Schnurrli kamen in ein Gsottus, Herz und Nieren gab es als Geschnetzeltes frisch, die Leber wurde zum Teil getrocknet, der Rest wurde auch frisch verzehrt. Da man ausser Trocknen und Einmachen keine Konservierungsmöglichkeiten hatte, waren die Metzgertage eine lukullische Zeit. Das Schweineschmalz kam mit der gelagerten Alpbutter in einen grossen Topf und wurde eingesotten, das ergab dann Bratfett für das ganze Jahr. Am Abend des Metzgertages gab es immer das gleiche Festmenue, die Mutter briet sich in frischer Butter die Augen und das Hirn, wir Kinder rümpften eher die Nase, für uns gab es Greibe (Grieben) dazu frisches Weissbrot!

Ja wer im Herbst zwei fette, glänzende Schweine hatte, hat Schwein gehabt!

Bürchen 30. 4. 20

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