Ein, sein Spiegelbild als «Grosser Schweizer» bezeichnender Secondo hat mal behauptet: «… daa bin ich der Neeger» sein eine gewöhnliche Redensart und nicht rassistisch. Schau wer mal! Was heisst «der Neeger» sein? Ist man der «Neeger», ist man ein Versager, ein Loser, der Sündenbock, der Schuldige, am Arsch! Also sehr positiv ist dieser Begriff also nicht besetzt; «der Neeger» sein, heisst, die Arschkarte ziehen – und das soll nicht rassistisch sein!
Wir hatten in unserer Jugend keinen «Neeger», wir hatten nur das kleine «Neegerlein», das uns immer zunickte, wenn wir es mit unserem Sparbatzen fütterten – das war für die «Weissen Väter», und wir hatten ja Erfolg, heute wären die Kirchen leer, schickten sie uns nicht die «Schwarzen Väter» aus Afrika zurück! Aber auch wir hatten fast immer irgendwo «an gspässigi Schoort» (eine eigenartige Sorte, Art, Rasse): es gab immer eine Gruppe, die «immer alls» bekam und wir «nie nix», die mit den geschenkten Lederjacken rumliefen, Maulaffen feil hielten und auf unsere Kosten schlemmten und prassten. Während des Krieges waren es die «Judu», nach dem Krieg gabs fast keine mehr, aber dann kamen die «Tschingge» (vom Spiel Cinque la mora) oder die «Bianggini» (unser südlichen Nachbar aus dem Val Bognanco), später kamen die «Tamiilu» - ich hab doch tatsächlich mal im Militär gehört, das ein «Kamerad» das Sturmgewehr einen «Tamilomat» genannt hat. In den Neunzigerjahren wurden dann aus den «Främarbeiter» Gastarbeiter und da Jugoslawien im Krieg auseinanderfiel wurde nun plötzlich zwischen «Tschingge» und «Jugos» unterschieden (vorher machte man diesen Unterschied nicht, man sprach mit allen das gleiche Baustellenitalienisch: «Holl mer schnäll an Paala!») und mit den «Jugos» wurden gleich die Albaner mitgemeint. Und bitteschön, die «Portugiisu» sind auf uns angewiesen, das sollten sie sich endlich merken! Wer sagt denn, wir hätten uns nicht entwickelt, heute liegt der Fokus auf den «Kamälltriiber» aus dem Maghreb, Syrien, Iran und den «Starchpigmentiertu» aus Somalia. Natürlich haben wir auch Menschen mit offenen Armen empfangen: 1956 aus Ungarn und 1968 aus Tschechien, aber gewehrt haben wir uns schon ein bisschen, als sie ihre Arzt-, Ingenieurdiplome auch in der Schweiz gelten lassen wollten.
Wir lieben die Fremden und wir haben auch eine herzliche Gastkultur entwickelt, aber am liebsten wäre uns dann doch, wenn sie die Türe öffneten, freundlich grüssten, den Geldsack reinwärfen und wieder verschwänden.
Ja, die Sprache hat es immer geschafft, «an gspässigi Schoort» sprachlich genau zu definieren und in die richtige Schublade zu stecken; ein Beispiel möchte ich hier noch nennen: das Fräulein; das gab es bei uns gar nicht, wir hatten «Jungfrowwe» und wenn man das so sagte, meinte man es auch so! Waren sie zur Arbeit zu gebrauchen, gut; aber gab sich eine, z.B. nach einer «Seso» (Saisonarbeit) oder einem «Dienschtjaar» (Arbeit als Dienstmädchen bei einer «nooblu» Familie) bei der Arbeit ungeschickt, unbeholfen oder «gschnäderfräässig», wurde sie gleich, und darin zeigt sich der Reichtum des Walliserdeutschen, mit einem Schwall von Bezeichnungen tituliert: as Puppi, an Tocha, an Täscha, as Gschwäder, an Haaggo oder as Tussi… ja, da wurde sie plötzlich als «Frölein» angesprochen.
Bürchen, 16. Juni 20
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