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Autorenbildvolmar.schmid

Wers schmeckt, der stiicht!

Bild und Geschichte


Eigentlich hätte ich euch heute über mein Lieblingsmenue, das Walliser Gsottus, berichten wollen. Über die wunderbaren Gerüche und die – ja gibt’s überhaupt einen Plural von Geschmack; klar gibt’s Geschmäcker, aber das ist etwas ganz anderes. Ich wollte berichten, wie vielseitig ich dieses Menue durch Nasen und Gaumen geniesse, bin aber an der Sprache kläglich gescheitert: das geht nicht, mir fehlen die Worte!

Warum hat uns der Herrgott mit einem nur so spärlichen Wortschatz ausgerüstet, wenn es ums Schmecken oder Riechen geht? Und dann haben wir im Walliserdeutschen noch eine zusätzliche Konfusion: Wers schmeckt, deer stiicht! (Wer es riecht, der stinkt. Mit diesem Sprichwort hat der Walliser eindeutig erkannt, dass das Maleur, die Ursache sich sehr oft bei dem befindet, der es als erster bermerkt.): sagen wir doch tatsächlich für Riechen, Schmecku, darum brauchen wir dann auch ein neues Wort für Schmecken und nennen es Choru und unser Wortschatz in diesem Bereich ist sehr dürftig; für Choru, kenne ich, siess, süür, reek; beim Schmecku wird es noch schwieriger, Gerüche benennen wir meist nach der Ursache: chüedräckillu (nach Kuhmist riechen), plegerru (nach einem Blagg = Aas riechen), bräntillu (angebrannt). Ja, wir wurden weder zum Gourmet noch zum Gourmand geschaffen; die Künste zum Riechen und Schmecken müssen wir uns in harten Lehrgängen aneignen, wenn ich zum Beispiel an eine Weindegustation denke, da bleibe ich noch heute bei einer einfachen Klassierung: schmeckt mir, schmeckt mir nicht!

Warum ist das so? Das ist relativ einfach: Zunge und Nase haben nur eine, aber lebenswichtige Aufgabe, zu entscheiden, ob etwas gut oder schlecht (das kann bis zu lebensbedrohlich sein) ist. Zunge und Nase entschieden vor Zeiten des Ablaufdatums, ob etwas essbar oder nicht war. Ich erinnere mich noch gut, wie die Lebensmittel damals beurteilt wurden (gleich, wie heute eine Weindegustation abläuft): Sichtkontrolle, an die Nase und dann auf die Zunge. Ich öffne ein Konfitürenglas, blicke hinein, sehe einen grauen Fleck, halte das Glas an die Nase, nehme einen Löffel, entferne das Graue und probiere den zweiten Löffel. Erinnert ihr euch an das Spiegeleierbraten: Ei aufschlagen, Blick hinein, an die Nase und dann in die Pfanne. Ja, um zu entscheiden, ob etwas gut oder schlecht ist, braucht es nicht viele Wort und das Brimborium um eine Weindegustation nennen wir Kultur – aber seien wir ehrlich, auch Banausen überleben. Ja die Begrifflichkeit ist immer schwierig: besuchen zwei Walliser die Kathedrale von Lausanne, beeindruckt lauschen sie einem Orgelspieler. Sag der erste: «Die Akustik!», antwortet der andere: «Jetz was sus du seischt, schmeck ich sus öü!»

Bürchen, 4. 4. 20

PS. Es gäbe sie schon: die Wörter

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