Bild und Geschichte 20
1958 bekam die Primarschule Ausserberg Besuch einer Klasse der Primarschule Wabern bei Bern. In einer Art Hörspiel haben wir Kinder den Gästen unser Dorf vorgestellt. Ich, als einer der Kleinsten bekam ebenfalls eine Sprechrolle, als wir in der Gemeindestube das grosse «Chänilzugseil» vorstellten, hing daneben ein Bündel Holzklötzchen und auf die Frage: «Was ist denn das?», kam mein Sprechpart: «Das sind Wässerwassertässle» und schon war meine ganze Rolle vorüber. – Und nach 62 Jahren kann ich meinen Rollentext immer noch! Das Hörspiel (Schulfunk) wurde dann im Herbst 58 durch Radio Bern gesendet, und beim Zuhören habe ich dann meinen Part fast verpasst.
Tässle waren die «schriftlichen» Zeugen von Alp- oder Wasserrechten, z.B. das Wasserrecht an einer Wasserleite (Suon).
Ein flaches Hölzchen wurde am Ende durchbohrt, so konnten die Hölzchen, die zu einer bestimmten Alpa oder einer bestimmten Wasserleita gehörten, auf einer Schnur zu einem Bündel gebunden werden. Auf das flache Hölzchen kam zuerst das Hüsszeichu: jede Familie hatte ein einfaches Zeichen, die waren im Dorfe bekannt und mit ihm wurden die Tässle, das Loosholz oder das private Werkzeug als Eigentum gekennzeichnet. Es musste ein einfaches Zeichen sein (und hatte nichts mit den Initialen des Namens zu tun) dass man auch mit der Axt z.B. in einen Stamm des Losholzes schlagen konnte; viele hatten ein eigenes Brenneisen, um das Zeichen z.B. in ihren Howwustill zu brennen. Unser Zeichen war «N,»
War das Hölzchen mit dem Hauszeichen gekennzeichnet, wurden nun die Rechte eingeritzt, bzw. mit einem Messer eingeschnitzt; beim Wasserrecht bedeutete ein durchgehender Strich eine Stunde Wasser, ein halber, eine halbe Stunde und das ging bis zu einer Viertelstunde. Beim Alprecht war ein Strich ein Kuhrecht (mit diesem Recht durfte man eine Kuh in die Alpe treiben), ein halber Strich bedeutete zwei Hufe (z.B. ein Rind), ein Viertel, eine Hufe (Kleinvieh). Hoch heute wird ja, wenn es um landwirtschaftlichen Boden geht, mit GrVE (Grossvieheinheiten) gerechnet, war es früher das Mass, was eine Kuh frisst, ist es heute das Mass, was eine Kuh scheisst (d.h. wieviel Kuhdünger vermag die Natur «unschädlich» zu absorbieren).
Wir waren mit unserem Besitz in der Millachra die letzten am Umgang (Cheer) des Niwäärchs und hatten 12 Stunden Wasserecht, da der Cheer (Bewässerungsrhythmus) 3 Wochen dauerte, hatten wir das Wasser einmal von abends 8 Uhr bis morgens 8 Uhr und abwechslungsweise einmal morgens 8 bis abends 8 Uhr. Drei Wochen war eine sehr lange Zeit und man durfte, wollte man für seine mager Viehherde genügend Heu zum Überwintern haben, das Wässerwasser unter keinen Umständen verpassen.
Ja, über das Wasser gibt es im Wallis noch viele Geschichten zu erzählen, darum ein andermal mehr.
Bürchen, 18. 4. 20
Die Bilder habe ich aus dem Stebler; dabei muss es sich um Stadoltässle handeln, denn Wasser und Alprechte wurden nicht unter eine Viertelstunde oder eine Hufe aufgeteilt.
Danke Volmi! Super gmacht.