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  • Autorenbildvolmar.schmid

Vam Mettjiboozu und dum Raafuritzji

Bild und Geschichte



Mein Gott, haben wir uns früher Geschichten erzählt! Besonders liebten wir es, wenn uns die Mutter Boozugschichte erzählte. Ein wohliger Schauer durchzuckte uns bis in die tiefste Seele und langsam zogen wir die Füsse auf die Sitzbank zurück. Keiner wagte es noch, die Beine unter dem Tisch frei baumeln zu lassen. Was wurden uns da für Geschichten erzählt: von der Aalt Schmittja, dem Graatzug, dem Teufel mit den glühenden Augen, vom starken Baschi und dem Thomas Inderbinen, der mit seiner aus sieben Reischtiisu zusammengeschmiedeten Keule die Berner gleich reihenweise erschlug. Die Quelle war meisten die volkstümlichste aller Wallisersagensammlungen von Jegerlehner (vgl. Bibliographie). In Ausserberg gab es vor allem zwei Sagengestalten, die uns den nötigen Respekt einflössten: ds Mettjuboozi, eine Art «Tootemögerli» oder «Schwarzer Mann», das auf der Mettju (Flurname) sein Unwesen trieb und ds Raafuritzi, ein Kobold, der einem, wenn man jemandem die Zuge herausstreckte, sie mit einem scharfen Messer abschnitt.

Ds Raafuritzji, die Zunge abschneiden, ääh! Das hat uns immer sehr beeindruckt, seine eigentliche Geschichte habe ich aber erst viel später erfahren. Die Pfarrei Raron hatte einen gotischen Baldachinaltar aus dem 1400 Jahrhundert, als sie den nicht mehr brauchten, oder er nicht mehr in Mode war, haben sie ihn an Ausserberg verkauft, dort fand er einen Platz in der Alpe Leiggru. Hier entdeckte ihn ein Kunstkenner und das Landemuseum in Zürich kaufte ihn den Ausserbergern ab. Im Volke in Erinnerung blieb aber noch die Darstellung des Martyriums des hl. Romanus auf dem rechten Flügel des Altares: ihm wurde von einem Schergen die Zunge abgeschnitten. Dieser Folterknecht wurde also im Volksmund, da die meisten «alten» Altäre von den Gommern Ritz stammten, und man den Altar irrtümlich in die Nachbaralpe Raaft verlegte, zum Raffuritzji. In den Neunzigerjahren liess die Gemeinde Ausserberg eine Kopie erstellen und stellte sie im rechten Seitenschiff auf; das Original befindet sich immer noch im Landesmuseum, obwohl Peter von Roten (ja, der von den «geliebten Feinden» und der Iris mit dem Laufgitter) heftig versuchte, ihn nach Raron zurückzuführen.

Meine drei Brüder und ich schliefen in der Chamra, die zwei älteren im Obru- und die zwei jüngeren im Unnru Bett (Ggütschibett). Vor dem Einschlafen war es an uns älteren und meistens an mir, als Ältesten, eine Geschichte zu erzählen. Lange vor dem «Hörbii» oder dem «Aston Martin» von James Bond habe ich mit meinem Gummitschipp ein geländegängiges, unzerstörbares Fahrzeug erfunden. Jeden Abend ging es in unserem Bäärgji auf Abenteuerjagd, und wie in solchen Geschichten üblich, siegte schon damals immer das Gute.

Bürchen, Ostersonntag, 12. 4. 20

PS. In den Neunzigerjahren hat mein Vater die Sagen von Ausserberg im jungen Radio Rottu nacherzählt. Wenn Sie da kurz reinhören möchten, klicken sie hier!

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