Bild und Geschichte 31
Gestern habe ich nach 21’915 Lebenstagen das erste Mal an «Tretscha» (Butterzopf) gebacken, dazu spielte das Radio Oldies aus meiner Jugend, besonders «Non je ne regrette rien!» von Edith Piaf fand ich besonders passend. Als dann während dem «Tretschu» (Flechten) noch das Lied «Stägeli uf, Stägeli ab…» von Artur Beul ertönte, war ich sicher, auf dem richtigen Weg zu sein! Natürlich habe ich mich streng an «Mutters» Rezept gehalten (Die Mutter aller Hobbyköche heisst bekanntlich Betty Bossy)! Aber halt! Bevor ich hier endlos herumblödele, möchte ich hier etwas über «Broot», «Tretscha» und «Rieja» erzählen, über «herts» und «mutzzus» Brot.
Wenn ich mich recht erinnere, wurde früher eigentlich nicht so viel Brot gegessen. Natürlich gab es «unser tägliches Brot», aber um den Verbrauch etwas zu mässigen, wurde es fast nie frisch gegessen; «Frisches Brot macht Bauchweh» wurden wir gewarnt, so, wie später kalte Milch, aus dem Kühlschrank nach meiner Mutter für uns Kinder direkt tödlich war. Natürlich war Brot eines unserer Grundnahrungsmittel, aber zum Frühstück, Mittag- und Abendessen wurde gekocht (Polenta, Hirsebrei, Kartoffeln oder Nudeln).
Das «tägliche» Brot war das «Roggubroot»: «Roggubroot macht d Wange root!» Das typische Walliser Brot, ein flacher runder Laib aus Roggenmehl wurde in Ermangelung der Presshefe aus Sauerteig hergestellt. (Heute gibt es nur noch sehr wenig Sauerteigbrot, meines Wissens in Simplon Dorf). War es frisch, gab es eine flotte, flache Scheibe, dick mit Butter bestriechen, waren wir besonders brav, gab es sogar einen «Zuckerrutsch» (über die Butterschnitte durften wir Zucker rieseln lassen, was kleben blieb, war unser «Zaabund»); da aber nur selten gebacken wurde (z.B. alle 3 – 4 Wochen im Lötschental; alle zwei Monate in Törbel; zwei Mal im Jahr, im Frühjahr und Herbst, in Steg, Gampel, St. Niklaus, Stalden oder sogar nur ein Mal im Jahr in Zermatt oder Leukerbad) war das Brot steinhart und man bekam zum «Zaabund» einfach ein «Tuggol», an dem man dann seine Zähne abschleifen konnte. Zu einem «richtigen» «Zaabund» (z.B. beim «Howwu», «Hewwu» oder «Wimdu») gab es zum Roggenbrot auch noch Weiss- oder «zegers» Brot, («zeger» heisst minderwertig), d.h. Brote aus Weizenmehl, entweder Weiss- oder Ruchmehl; man bestellte in der Bäckerei einfach «as Hells» oder «as Dunkils», dass es das auch beim Bier gibt, habe ich erst später gemerkt.
An Sonn- und Feiertagen gab es meistens «mutzus» Brot, d.h. es wurde aus einem Butterteig, mit Eigelb bestriechen, zu einer «Rieja», «Tretscha» (Zopf) oder zu einem «Brotgöüch» (Brotmännchen) gebacken. Da bei uns praktisch kein Weizen angepflanzt wurde, musste man das Weissmehl kaufen. Für «mutzus» Brot brauchte man aber auch den eigenen Roggen, man produzierte «Pittilmäll» (besonders fein zu Weissmehl gemahlenes und gesiebtes Roggenmehl). Normal wurde das Roggenkorn mit der Hülle («Grisch», «Grischmäll») zu grobem Roggenmehl gemahlen; die Mühle hatte aber einen «Pittel» (kommt von Beutel), einen Stab, der man mit einem Hebel rumschieben konnte, damit lief das Mehl über einen groben Leinenbeutel und wurde vom «Pittel» geschüttelt dadurch zu Weissmehl = «Pittilmäll» gesiebt, das ergab dann die «Pittilrieja».
Zu Brot gibt es eine Reihe von Sprichwörter und Redensarten, z.B. : «Herts Broot ischt nit herts Broot, kcheis Broot ischt herts Broot» oder «… äär het miessu främts Broot ässu!» vgl. https://www.walliserdialekt.ch/sprichwoerter-redensarten
«Und jetz schniidi miini Tretscha a!» (vgl. Abb.)
Bürchen, 2. Mai 20
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