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  • Autorenbildvolmar.schmid

Stadol oder Spiicher

Bild und Geschichte


Ein wunderschöner alter Stadel! Oder doch ein wunderschöner alter Speicher? Ja, was ist es denn jetzt: Stadol oder Spiicher? Natürlich ist deine Antwort richtig: es ist beides! Im Holzteil unten haben wir einen Stadel und oben zwei Speicher. Beiden sind die für das Wallis markanten Mäuseplatten (Stadolplaane) eigen, sie haben den Inhalt gegen allerlei schädigendes Getier (Mäuse, Ratten, Wiesel/Gliir, Marder etc.) geschützt.

Im Spiicher wurden Lebensmittel (früher auch Kleider und Dokumente) aufbewahrt, er war immer in der Nähe des Wohnhauses, aber doch aus Feuerschutzgründen in einem geziemenden Abstand. Er war im Blockbau zum Schutz vor Wind und Wetter fest gefügt und abschliessbar. Noch in meiner Jugend waren der Speicher und Keller die einzigen abschliessbaren Räume der Dorfgemeinschaft. Im Dorf wurde der Einfachheit halber Stadel und Speicher kombiniert. Da man für den Speicher in der Regel nur wenig Platz brauchte, haben sich auch in diesem Falle mehrere Eigentümer zusammengetan. In Ausserberg in der Schlüecht habe ich Gebäude mit bis zu sieben Speichern gesehen: erkennbar durch die fest gefügte Bauweise und die verschliessbare (verschlossene) Türe. An trockenen Orten, z.B. in Törbel, St. Luc oder Ausserberg haben diese Gebäude zusätzlich noch ausladende Lauben, diese dienten zum Trocknen von Kräutern, in Ausserberg insbesondere auch der Groossboone, daher auch der Übername der Ausserberger. (In Alagna dienen diese typischen Lauben zum Trocknen von Heu). Die abgebildete, stolze Stadel-Speicher-Kombination steht in Ried-Brig, zuoberst der Riedgasse.

Im Stadol wurde das Chooru zum Trocknen gelagert; er besass eine grosse, meist offene Türe. Die Türe konnte zwar im Winter verschlossen werden, aber nur mit einem einfachen Holzriegel. In der Mitte war das massive, festgefügte Tenn und rechts und links im Ständerbau abgetrennte Abteile, die Stadolschroote, zum Lagern des Getreides. Das Tenn bestand aus dichtgefugten bis 15 cm dicken Balken und ragte am Tor zu einem Dilti (Vorsprung) vor. Hier konnte man eine Leiter anstellen und den Stadel betreten. Das Tenn wurde rechts und links mit einer glatten, ca. 1 Meter hohen Bretterwand von den Schroote abgetrennt. Natürlich schützten die Mäuseplatten nur, wenn es nie eine fixe Verbindung zum Stadelraum gab, darum wurde die Leiter sofort nach Gebrauch entfernt, oder man hatte nur eine grobe Stiege mit einem hohen «Lufttritt». Später habe ich oft gesehen, dass der Zwischenraum mit gelagertem Material aufgehoben wurde, dass das Dilti vorne abgesägt wurde und der Zugang mit einer Treppe verbunden wurde, solche Gebäude haben natürlich ihre ursprüngliche Funktion verloren.

Im Winter kamen in Männer in den Stadel, breiteten das gelagerte Korn im Tenn in 10 cm dicken Schichten aus und begann es mit dem Dreschflegel zu dreschen, d.h. das Korn aus den Ähren zu schlagen. Der Dreschflegel war an vielen Orten ein massiver Stock, vorne mit einer Lederschlaufe verbundenem Klöppel; in Ausserberg verwendete man ein einfacheres Modell: ein grober, ca. 1.50 Meter langen Stock, der etwa in der Mitte in einem leichten Bogen etwas vorragte. War das Korn ausgedroschen, wurde das Stroh oben weg gerechnet und in grosse Bündel zusammengebunden und die Körner zusammengewischt und in Säcke abgefüllt. Das Stroh wurde in die Ställe gebracht und dort dem Vieh auf dem Liegeplatz eingestreut. (Viele brauchten Stroh auch zum Füllen des Bissagga, Strohsack, des Ggütschibetts, wir nahmen dazu Määrweizbletter, Maisblätter). Die Körner kamen ins Dorf und nach dem Wannu in die Mühle.

Der Unterbau bestand aus groben, meist offenen Steinmauern, nur in dorfnähe wurden sie fester gefügt und oft als Kleinviehställe (Schafe und Geissen) genutzt. Wie schon gesagt, wurden die Stadel immer in der Nähe der Kornäcker gebaut und in Ausserberg oberhalb der obersten Wasserleite gab es deren so viele, das im Weiler Niwäärch ein ganzes Stadeldorf entstand – einzigartig in der Kulturlandschaft des Oberwallis.

Bürchen, 13. 4. 20

PS. Wer sich mehr für die Kulturgeschichte vom «Korn zum Brot» interessiert, dem empfehle ich die «Erlebniswelt Roggen» in Erschmatt oder den Rundgang «Urchigs Teerbil»

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