Bild und Geschichte 41
Hei, wie gross war die Freude, wenn eine
s der Kinder mal einen Ball geschenkt bekam; am liebsten war uns ein Lederball, den konnten wir Aufpumpen, wir konnten ihn flicken und er zog auch Kinder aus anderen Weilern an. «Füessball» spielten wir wenig, denn eine Stunde «Tschuttu» bestand aus einer Viertelstunde spielen und Dreiviertelstunde Ball suchen; ein kräftiger Schuss ging daneben und schon kollerte der Ball hangabwärts, wenn er nicht vorher an einer Staude hängen blieb, rollte und hüpfte er meistens bis zur «Garierr» (die Steinschlagverbauung der BLS-Bahn, zehn Minuten unterhalb unseres Weilers). Am beliebtesten war uns das «Völkerball» am Sonntag nach dem Mittagessen, da trafen wir uns mit bis zu 20 Kinder aus dem ganzen Dorfe, Mädchen und Knaben gemischt. Ich glaube, die Regeln brauch ich hier nicht zu erklären: man musste versuchen, so viele Gegner abzuwerfen und den Ball dabei nicht zu verlieren und auf der anderen Seite, sich nicht treffen zu lassen oder den Ball abzufangen, wer zuerst alle getroffen hatte, hatte gewonnen. Es war ein Spiel des Frühlings, man durfte die Wiese noch betreten oder sie war schon «ggetzti» (gemäht oder abgeweidet). Wir Kinder spürten den Frühling schon in doppeltem Sinne, den manchmal zielte ein Kind ganz bewusst auf ein bestimmtes anderes oder man liess sich nur von bestimmten Personen treffen.
In der Schulpause spielten wir Knaben oft «Stand-» oder «Eggball». Es war ein Spiel mit dem kleinen Ball für 4 bis 5 Spieler. Als Ball benutzten wir einen Tennisball oder haben aus verschnitten Veloschläuchen selber einen faustgrossen Ball gebastelt – hei, da schmerzten die Treffer. Drei oder vier Spieler stellten sich jeder in eine Spielecke, einer war in der Mitte; nun versuchten die Aussenspieler den in der Mitte abzuwerfen, dazu jagten sie ihn durch gegenseitiges Zuspielen quer durchs ganze Feld. Wurde er getroffen, musste er im Feld bleiben, das war brutal, denn wir waren vom Ziegenhüten gewohnte Werfer und versuchten unseren Kameraden natürlich möglichst hart zu treffen. Gelang es ihm, den Ball abzufangen, warf er ihn mit aller Wucht auf den Boden und rannte davon, die anderen versuchten nur den Ball zu erwischen und den Spieler abzuwerfen, das gelang selten und er konnte nun den Werfer aussen ablösen. Abgelöst wurde er auch, wenn ein Aussenspieler ein Zuspiel nicht fang.
Ein ganz beliebtes Spiel unter uns Buben war auch das «Maarflu». Natürlich hatten wir keine Marmorkugeln (das Wort «Marfel» kommt von Marmor und Spiele mit solchen kleinen Kugeln kennt man seit der Römerzeit) sondern zum «Tolinu» Glas- und zum «Misbsu» Eiskugeln). Zum «Tolinu» gruben wir auf unserem Vorplatz ein kleines Loch: «di Tola» auf der anderen Seite kam das «Riss» (Wurflinie). Wir spielten immer drei bis vier Buben, «jede gägu jede», die Reihenfolge wurde ausgelost und nun versuchten wir als erstes mit unseren Murmeln in die «Tola» treffen, anschliessend versuchte man die Gegner mit «spicku» abzuwerfen. Damit man aber einen Gegner abwerfen konnte, musst man mit der Murmel zuerst die «Tola» erreichen, also galt es schon beim ersten Werfen aufzupassen; wenn einer in einem Erstwurf die «Tola» erreichte, wer später in die «Tola» kam, touchierte automatisch den Vorderen und war «ap». Also war Strategie gefragt, man musste seine Murmel rund um die «Tola» so setzen, dass sie weit genug vom Loch weg waren, um nicht getroffen zu werden und nah genug, um die «Tola» in einem Wurf zu erreichen, falls der Gegner eine andere Murmel verfehlte. Das Spiel wurde meist mit je 4 Murmeln gespielt und eine feudale Situation war es, wenn man zwei Murmeln in der «Tola» hatte, dann konnte man mit einer seine Gegner abwerfen (solange man traf, war man an der Reihe) und die andere als «Toluwach» (Wache) zurücklassen, bei drei oder vier Murmeln konnte man sich nach allen Seiten absichern. Es gab eine «herti» und eine «weichi» Variante des Spiels, bei der «weichen» war der Sieger, der am meisten Murmeln abgeschlagen hatte und bei der «harten» konnte man die abgeschlagenen Murmeln behalten. Ja, nach einem glücklichen Spiel und prallvollen Hosensäcken, hat es einem fast die Hosen «abgschreckt».
«Mirbsu» wurde mit Eisenkugeln gespielt, die holten wir uns aus alten Kugellagern, das Spiel hatte eine Ähnlichkeit mit «Boccia» oder «Petanque». Die grosse Kugel, «di Botscha» (eben von Boccia) wurde vorgeworfen und mit den kleinen wurde versucht mit Rollen oder Werfen diese grosse abzuwerfen, traf man sie kam die nächste «Botscha» zum Einsatz und man konnte die getroffen behalten: das wurde, je nach Spielstärke, zu einem Geben und Nehmen!
Bürchen, 16. Mai 20
PS: natürlich haben wir noch viel mehr Spiele gespielt von «d Suww triibu», «Milinu» (das Mühlespiel hatten wir in der Alpe gleich im Holztisch eingeritzt, gespielt wurde mit hellen und dunklen Bohnen), Eile mit Weile, Ringelreija, der Plumpsack geit um, bekannt sind auch ds Tschärättun im Lötschental oder ds Gilihüsine im Goms… vgl. http://www.walser-museum.ch/museum/soziales-wirken/spiel/spiele-im-freien/murmelspiel-maarflu.html
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