Bild und Geschichte
Howwu (das Umbrechen des Ackers) war eine der strengsten Arbeiten, die der Alltag in einem Bergdorf zu bieten hatte. Da kam mal ein Fremder nach Ausserberg und schaute eine Zeit lang den Howwer zu, sah, wie sie elegant die Breithowwa schwangen, sie tief in die Erde trieben und in weitem Schwung die Erde schmissen. Er habe immer gemeint, das sei so eine schwere Arbeit mokierte er sich. Da schlug einer der Howwer seine Haue tief in die Erde und sagte zu ihm: «Heit ier öü a maal wellu probierru?» Willig nahm der Fremde das Angebot an, stieg in den Graben, ergriff die Haue, zerrte und sank auf die Knie! Von da weg, schaute er stillschweigend und staunend den Howwer zu.
Howwerziit war nach der Getreideernte (Roggen) von Ende Juli bis in den Oktober hinein. Man half sich dabei gegenseitig aus, an einem Tag wurde in den Äckern von X, am anderen in denen von Y gearbeitet. Es gab immer junge, starke Männer, die sich als Taglöhner verdingte; so hat «ds Stiinufranzjosisch Chrischti» einmal stolz berichtet: «Im letschtu Öügschtu hani 35 Howwertagschichte kcha!" Nachbarhilfe leistete man um die Kost; den Taglöhnern gab man einen kleinen Obolus. Was das Essen anbelangte, waren die Frauen zuständig, darum möchte ich hier auch das Wort kurz meiner Mutter überlassen (Vgl. Wir Walser: «Vom Korn zum Brot», 2/2007):
«Morgens zwischen 4.30 Uhr und 5 Uhr wurde der Schnapskaffee mit Brot, Käse, Butter und Konfitüre eingenommen. Dann gings auf den Weg, die Hauen geschultert, der Hausherr noch mit einer 2-3 Liter Batilla Wein. So nahmen sie den 3/4-stündigen Weg unter die Füsse, denn die Kornäcker waren grösstenteils oben am Wald. Inzwischen hat die Hausfrau das Fleisch gesotten, alles von den besten Stücken vom Schwein, Rind und Schaf. So gegen 8.30 – 9 Uhr bekamen die Howwer die Fleischsuppe igschnätzt mit Roggenbrot, Weissbrot und Käse. Dazu gab es Weissbrot und Käse und auch noch eine Batilla Wein. … Das Gesottene, am Mittag, bestand aus verschiedenem Fleisch, Kartoffeln, Reis, Randensalat und Apfelschnitze in Weinsosse. Das verfrachtete man alles in eine Tschifra. Zuunterst kam eine grosse « Batilla» mit Wein, Teller, Messer und Gabeln, ein Holzteller um das Fleisch aufzuschneiden, dann die Schüsseln mit dem Essen. … Gegen 5 Uhr bekamen die Hauer Kaffee, Brot, Käse, Hüsswurscht und Hamma … um 8 Uhr kamen die «Howwer» nach Hause, und dann gab es noch eine Suppe mit Käse und Brot.» Nun wisst ihr auch, warum man von einem, der beim Essen so richtig zuschlägt sagt: «Är isst wie an Howwer!»
Nun zum eigentlichen Howwu, es wurde am Berg mit der Breithaue mit kurzem Stiel gearbeitet; immer abwechselnd, damit das Land tatsächlich auf dem Acker blieb, wurde ein Jahr von links nach rechts und das andere von rechts nach links gearbeitet und man warf es immer obschi, sonst musste man es nach drei, vier Jahren wieder mit der Tschifra den Acker hochtragen. Zuerst wurde mit der Howwa der verzettote Mist in den Graben geschoben, dann ging der erste Streich gerade zum Hang in die von den Frauen und Kindern gelockerte Erde (Bschtächu), der Zweite schräg zur Arbeitsrichtung (vgl. o. rechts oder links) und der Dritte grub wieder gerade zum Hang tief in den Boden hinein, die Erde wurde mit Schwung vor die Füsse hangaufwärts in den Graben geworfen. Alle Streiche hatten ihren Namen, aber ich weiss nur noch den vom letzten, der hiess der Schwaarber, und die alten Leute sagten: «Im Schwaarber ischt ds Chooru.» D. h. der letzte Streich muss besonders sorgfältig und tief ausgeführt werden, so dass die Erde bis zu 40 cm tief umgegraben wurde. Aus heutiger Sicht scheint mir das wenig ökologisch (Bodenfauna), aber wenn ich mal fragte, warum wir das so machen mussten, bekam ich immer die gleiche Antwort: «Dass hei wer immer a soo gmacht!» Heute scheint mir manchmal: ein Teil der schweren Arbeit diente dazu, einfach die jungen, starken Männer zu beschäftigen, denn, dass es gut sei, wenn am Schluss das «wilde Land» oben auflag, bezweifle ich noch heute(!).
Es wurde immer zu dritt oder zu viert in einer Reihe gearbeitet, kam der unterste am Ackerrand an, rief er: «Obschi» und alle stiegen eine Stufe höher und arbeiteten dort weiter. Ein gutes Team konnte «Stägu»; da arbeiteten die Howwer immer um eine Hauenbreite versetzt und da man auch bei dieser Arbeit manchmal «Guginaade im Grint» hatte, versuchten sich die oben so zu beeilen, dass plötzlich einer sich völlig im umgebrochenen Gebiet befand: «Üsshowwu», nannte man das und es war eine furchtbare Schande.
War der Acker fertig umgegraben, wurde das Korn gesät und wir Kinder mussten den Acker abrechnen. Zum Abschluss der Arbeit drückte der Hausherr/Besitzer seine Haue an einer Ecke in die weiche Erde und machte mit der Kante der Haue ein Kreuz in das plattgedrückte Viereck. Jetzt überliess man das Korn (Winterroggen) dem Schicksal Gottes und des Klimas, bis es im nächsten Juli geerntet werden konnte (aber das ist wieder eine andere Geschichte).
Bürchen, 10. 4. 20
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