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  • Autorenbildvolmar.schmid

herrlich und dämlich


Bild und Geschichte 43

Ja, die Sprache ist diskriminierend, ungerecht und sexistisch: Viele Jahrhunderte Patriarchat haben sie so weit gebracht, dass sie grundsätzlich das Männliche «herrlich» findet und das Weiblich «dämlich». Mit einer einfachen Silbe «lich» macht sie aus einer Sache, einem Menschen, einem Tier eine Eigenschaft: also, aus Herr «herrlich» und aus Dame «dämlich»; sie diskriminiert nicht nur hier, sondern sie macht grundsätzlich aus einem nicht geschlechtsreifen Wesen eine Sache: das Knäblein, das Mädchen, das Kätzchen, ein Hündlein… Ungerecht ist sie aber auch, den die Sprache sagt «der Knabe» obwohl er doch noch ein Knäblein ist und noch schlimmer sagt sie weiterhin: der Ochse, der Wallach obwohl beide kastriert sind und heisst es weiter «der Eunuch»! Und dann geht es sexistisch weiter mit dem «Fräulein», ein Neutrum obwohl das «Empfangsfräulein» inzwischen 40jährig und seit 25 Jahren eine Frau ist; vielleicht ist mein «Servierfräulein» sogar verheiratet und hat das «Bürofräulein» am Telefon 5 Kinder. Da lobe ich mir das Walliserdialekt, es Versächlicht wenigstens alles gleich, ob Mann oder Frau, Ding oder Sache immer wird versächlicht (vgl. https://www.walliserdialekt.ch/walliser-dialekt): aus einem Mann wird «as Mannji», aus einer Frau «as Frowwi», der Anton wird zum « ds Toni» und die Verena zum « ds Vreni», aus dem Metzger wird «ds Metzgi» und aus dem Rektor «ds Räckti», nur «d Jäissa bliibt an Jäissa».

Zwar ist sie gekommen, die Emanzipation, die Gleichstellung von Mann und Frau, aber erst sehr spät, 1981, meine Mutter war damals 61 Jahre alt, als sie zum ersten Male einen auch für sie bindenden Vertrag mitunterschreiben konnte, vorher hatte ihr Mann das alleinige Unterschriftsrecht (He, als sie das erste Mal abstimmen konnte, war sie erst 51 und ihre Jahrgängerin aus dem Appenzell 70!). Heute haben wir die Gleichstellung, aber auf die Gleichberechtigung warten wir noch. Warum tun wir uns so schwer damit? Im Ersten und im Zweiten Weltkrieg mussten die Männer an die Front und die Frauen sprangen für sie ein. In vielen Länder kehrten viele Männer nicht mehr zurück an ihre Posten und die Frauen blieben in ihren Positionen, erkämpften sich «Männerberufe» und das Stimmrecht (z.B. D 1919). In der Schweiz hiess es, als der Krieg zu Ende war: «Hoppla, fort mit dir, zurück an den Herd, jetzt bin ich wieder da!» Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, war meine Mutter 19jährig und musste in Baltschieder den Posten des Dorfsennen übernehmen. Selbstbewusst, wie sie war, forderte sie den gleichen Lohn und bekam ihn, als dann aber der Dorfsenn aus dem Aktivdienst entlassen wurde, schickte man sie gleich am darauffolgenden Tag nach Hause: als Frau «arbeitet» man nicht, man gehört an den Herd. Diese Denkweise ist noch heute weit verbreitet, bei den Frauen, weil sie vergessen haben oder gar nicht wissen, was unsere Mütter, als sie nicht zur «Arbeit gingen» zu Hause «krampfot» und «kchripplot» haben und von den Männer, weil sie die lästige Konkurrenz der fähigen, fleissigen und taffen Frauen auf dem Arbeitsmarkt fürchten (das ist ja noch fast schlimmer als die vielen Ausländer!) Trotzdem, 2020 schliesst meine Nichte, ein feines, zierliches Mädchen – Entschuldigung, junge Frau ihre Lehre ab – als Elektriker und neuerdings wir vielfältig bewiesen, dass man auch «Amherd» einen guten Job machen kann.

Bürchen, 25. Mai 20

Bild: Meine Grossmutter nicht bei der «Arbeit» sondern nur beim «Hirtu»

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