top of page
Suche
  • Autorenbildvolmar.schmid

Främde Zoggil!



Einfach muss die Welt sein, übersichtlich und bekannt; denn «Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht!» Es liegt einfach im Charakter des Menschen, dass es sich dem Bekannten zuwendet und die Welt bipolar ordnet; er unterscheidet immer in Gut und Böse, Ost und West, Weiss und Schwarz, Bekannt oder Fremd und natürlich möchte er immer auf der Seite von Bekannt, Weiss und Gut sein; Populisten haben das erkannt und achten darauf, dass ihre Anhänger immer auf der guten Seite sind, der Seite der Arier, Einheimischen, auf der Seite der Weissen, Walliserdeutsch Sprechenden, der Ausserberger!

Ja wir hatten es in den Fünfzigerjahren nicht leicht, wir hatten keine «Tschingge» oder «Neeger», wo man ganz einfach an der Sprache oder Farbe erkennen konnte, dass sie zu den Bösen gehörten. Wie bei den Emmentalern in Gotthelfs «Schwarze Spinne» alles Böse von «Christine» kommt, von einer «Lindauerin», einer Fremden aus der Ostschweiz, hatten wir bei uns die «Tiitscha» und die «Geschtjini». Die «Tiitscha», eine nette, freundliche Frau aus Deutschland, war uns unheimlich, ein Hort der Verschwörung und von den «Geschtjinu», einer Familie mit fünf Kindern, die aus Niedergesteln zugezogen war, etwas abseits wohnte, kam alles Übel. Fehlte irgendwo ein Werkzeug, war etwas kaputt, dann hiess es: «Dass sind di Geschtjini gsii». In Steg wurden der Einfachheit halber auch mein ursprünglich aus dem Tessin stammender Studienfreund (Gnesa) als Tschinggi, bezeichnet, denn die Muttersprache seines Vaters war ja Italienisch.

Einer der frisch zu einer Gemeinschaft hinzustiess (ich weiss es, ich bin drei Mal im Oberwallis umgezogen), war zunächst einmal an främde Zoggol (fremder Fötzel). So wurde ich noch 1983 an der Urversammlung in Ried-Brig begrüsst, als ich nicht genau die gleiche Meinung wie die Einheimischen vertrat. «Iheimisch» war das Gralswort, wer dazu gehörte - gut, wer nicht - Pech gehabt. Inzwischen ist der Gegensatz unter den Dörfern in diesem Sinne weg, wir unterscheiden aber immer noch zwischen Gut und Bös, zwischen Einheimisch und Fremd, Walliser und Grüezi, Schweizer und Ausländer. Paradoxer Weise stört es uns, wenn ein Walliser nach zwei Jahren tusslot (die Dialekte mischt) und gründen in jeder Schweizer Stadt einen Walliserverein, es stört uns aber auch, wenn der Portugiese in Zermatt nach zwei Jahren noch nicht deutsch spricht und der Jugo sich in Visp mit seinen Landsleuten trifft.

Bürchen, 27. 4. 20

Bildquelle: Folkloreumzug Zermatt

PS. Skeptisch? Dann zieh doch mal für einige Zeit nach Naters!

210 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Maaninu

bottom of page