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  • Autorenbildvolmar.schmid

Iischi Hitta in der Alpa

Bild und Gescchichte


Gestern habe ich ganz vergessen zu erzählen, wie man überhaupt in die Alpe Eril im Baltschiedertal kommt. Man kann sie noch heute nur zu Fuss (die heutigen Besitzer lassen sich oft zusammen mit ihren Vorräten mit dem Helikopter reinfliegen) erreichen und braucht auf jedem Weg bis zu drei Stunden. Die Ausserberger erreichen sie über die beiden Wasserleiten Niwäärch (hier kann man auch den Wasserstollen nehmen) oder Undra auf der rechten Seite (orographisch); in Ze Steinu überqueren sie uf dum Stägg den Baltschiederbach und dann gehst in endlosen Kehren (99) hinauf zur Alpe. Noch in den 50er Jahren war es ein feudaler Saumpfad, denn während dem II. Weltkrieg wurde oberhalb der Alpe in der Rotu Chumma Molybdän (seltenes Schwermetall zum Härten von Stahl; im Krieg wurde es zum Härten von Munition verwendet) abgebaut und so gab es wöchentlich ganze Saumkolonnen, die die Kehren rauf und runter gingen. Die Eggerberger stiegen hinauf zur Goorperi oberhalb Eggen und trafen in Ze Steinu, auf die Kehren, von Baltschieder kam man den Tallwägg (Talweg) nach Ze Steinu, diesen Weg muss auch das Vieh nehmen. Anderst die Munder, die stiegen sowohl mit dem Vieh als auch zu Fuss über den Sallwald nach Hooneggu und dann hoch am linken Hang über du Pschissnu Grabo nach Hoonalpu, von hier gabs noch einen kurzen Abstieg, man überquerte ds Furggi (Furggbach) und war im Eril.

Eigentlich will ich ja über die Alphütte reden, darum werfen wir einen kurzen Blick auf das Bild: links haben wir eine klassische Alphütte in einem Alpstafel des Oberwallis. Im Wallis werden Wohn- und Ökonomiegebäude (mit Ausnahme des Valle d’Illiez) streng getrennt, nicht so in der Alpe. Hier sind Wohnen- und Ökonomie unter einem Dach. Eine Hütte besteht normaler Weise aus: Küchenraum, Keller, Stube und Heuschober im Obergeschoss und aus dem Stall (Ställen) im Untergeschoss – die Grafik rechst auf dem Bild soll das veranschaulichen.

Diese Grafik stellt unsere Hütte im Eril dar. Man betrat sie und kam direkt in die «Küche», es war aber keine Küche im heutigen Sinne, es war eine Art Arbeitsraum, da gab es einerseits die Arbeitsfläche zum Käsen (Cheesgäärb, Gwichtstei, Waaga, Milchbüechji, Äichuchella) und zum Kochen, dann gab es die offene Trächa mit dem Chessituro (Vorrichtung zum Aufhängen und drehen des Cheeschessi) und den Trifüess (Dreifuss), auf den die Pfannen zum Kochen gestellt wurden; es gab keinen Kamin, der Rauch verzog sich durch eine Dachluke: klar waren die Alpküchen immer eine russige Angelegenheit. Hinten gab es eine Tür in den Keller, hier wurde der Käse gelagert und gepflegt, der Äichustock modelliert und aufbewahrt und die Aabumilch in Gebse über Nacht gelagert, die dann jeweils am Morgen abgerahmt wurde und mit der Morgumilch während des Tages verkäst wurde. Links gab es eine Türe zum Stubji, das als Wohn-, Ess-, Andachts- und Schlafraum diente. Sehr spartanische möbliert, bestand es aus einem Hochbett für die Sennerin und darunter einem Gütschibett für uns Kinder, meist lagen wir zu Viert in diesem Bett, aus Schicklichkeitsgründen die Mädchen so und die Knaben in umgekehrter Richtung. Dann gabs einen rohgezimmerten Tisch (auf unserem hatten wir das Mühlespiel gleich direkt in die Tischplatte eingeritzt, als Mühlesteine nahmen wir helle und dunkle Bohnen), an der Wand eine Holzbank und vor dem Tisch drei bis vier Hocker. Die Hocker waren dreibeinig, damit sie auf den rohgezimmerten Brettern des Bodens nicht wackelten (vgl. auch den Drifüess). Jedes Stubji enthielt auch eine Andachtsecke. Neben der Stube war die Scheune. Die Alpen hatten immer auch ein paar Mähwiesen, deren Heu in der Alphütte für die Not gelagert wurde. Es kam jeden Sommer ein bis zwei Mal vor, das es schneite und der Schnee liegen blieb, dann liess man das Vieh im Stall und fütterte es mit diesem Notvorrat. Der Boden bestand in der Küche und im Keller aus Land (Erde) oder grob gefügten Steinplatten und im Stubji aus grob gefügten dicken Bretter, durch deren Zwischenräume man runter in den Stall gucken konnte. So konnte man im Stubji das Vieh nicht nur hören, sondern auch riechen.

Unter befand sich der Kuhstall, bis zu zehn Stück Vieh wurde hier zusammengepfercht. Über den Stall, die Arbeiten im Stall und über die Viehhaltung grundsätzlich, lohnt es sich in einem eigenen Artikel zu berichten.

Der aufmerksame Leser wird sich jetzt fragen: wo ist die Toilette, wo ist das Bad? Die Antwort ist sehr einfach: gab es nicht. In einer Schüssel verabreichte man sich am Morgen eine Katzenwäsche, Zähneputzen gab es meistens nicht und die Notdurft erledigten wir im Stall – aber bitte hinten, du Sauhund, dass man nicht am Morgen als erstes reintrat.

Diesem Umstand verdanke ich auch eine meiner ersten Erinnerungen. Ich war dreijährig (da ich im Sommer Geburtstag habe, könnte es sogar mein dritter Geburtstag gewesen sein), bei meiner Grossmutter und da konnten wir Kleinen im Stubji durch ein Loch im Boden direkt in den darunterliegenden Stall kacken. Ich spielte vor der Hütte und plötzlich musste ich dringend. Der Eingang besass einen Unnertirrner (Türschwelle), den ich damals nur kletternd überwinden konnte, Ich spurtete los, begann mit dem Klettern, aber dieses Mal war es zu spät. Der weitere Gang zum Loch erübrigte sich.

Bürchen, 3. 4. 20

PS. Die Suonenwanderung von Eggen über die Goorperi nach Ze Steinu und über das Niwäärch zurück (nur für Schwindelfreie) nach Ausserberg (oder umgekehrt) ist heute einer der schönsten Suonenwanderungen des Wallis.

Bildquelle: Volmar Schmid: Kleines Walliser Wörterbuch. Gebäude. Brig, 2003.

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