volmar.schmid
D Rarnerchriega! Kwaasi an Ileitig!
Aktualisiert: 6. März 2021

Ja, Sage! Meischtens geits um du Tiifol, Geischter, Aarmi Seele, Guggwäärgini und mu macht kchei Unnerscheid zwischund de verschidene Tüpu (Helden-, Blüemlisalp-, Geistersagen…) und zmeischta sind Boozugschichte und der Räschto sind de no Wandersage; mu finnot also uberall di gliichu Gschichte. Was ischt de an de Wallisersage Walliser? Will di vilu Gschichte halt im Wallis passiert sind, äss ischt der Oort, der ischt immer ganz präziis und agipasst: d Aarmu Seele biessunt im Wallis im Aletschgletscher (in Nordtischland, was kchei Gletscherra het, halt im Moor). Und der histoorisch Chäru va a hüffo Sage ischt de öü nit immer soo historisch. Miini Müeter het in settige Fäll immer am Schluss gseit: «Wes nit waar ischt, ist de as Gschichtji!» Als Biispil wellti eww an Sag us Baltschieder, wa d Vorrvorrvorrfaaru va miiner Müeter sind debii gsii, verzellu.
Äs ischt Chrieg gsii, di Bäärner sind uber alli Ubergäng ins Wallis igfallu, heint gibrantschatzt und gmoordot: äs sind d Rarnerchriega gsii. (Der Witschart va Raru het in Bääru gägu di üffständigu Walliser Hilf gholt.) Der Landraat het alli kampffähigu Männer üffgibottu und mit Schwärt und Helbardu, Sägesa und Reischtiisu sintsch dum Gägner äntgägu. Di Baltschiedner, zämu mit de Egger- und Üsserbärger und Munder unner dum Höüptma Milius sind richtig Baltschiedertal marschiert, de vam Eril üsse ischt as Hirtji ga mäldu, in der Rootu Chummu, siigi scho Bäärner. Ich weiss no, wie miini Muüeter dii Boschaft betoont het: «In der Rootu Chummu, kcheert mu schoo der Raarnero Trummu!» Äss ischt Oktober gsii, di grebschtu Fääldarbeite sind verbii gsii und Frowwe deheimmu, heint iro Tagwäärch wiiter gfiert, sind ga Hirtu, heint d Cheesot, Gipuchjot, de Junginu glüeget und d Wäsch gwäschu. Am Wäschtag heintsch schich immer am Wüer gitroffu, das ischt d Wasserleita va zinnerscht vam Dorf va der Milihaalta näbund der Baltschiedra üse chunt. Bi deer Gläguheit heintsch de schicht öü die «niwwschtu» Niwwikeite verzellt. So het emmal öü ds Marjoosi va schiinum Sepp verzellt, wie deer mit der greegschtu Sägessa, abgizogu siigi, und wie de deer de Bäärner schoo heimzinte. Schii sind schoo am Spielu gsii, wa schicht ds Wasser afa rot verfäärbt het. Schii heint üffgheert, an andre blöd aglüeget und de meint ds Marjoosi: «Schiinbar heintsch dii Bäärner rächt versolot!» Wa de langsam afa Aarma und Bei verbiigschwummu sind, ist de nimme gmietli woordu, di Frowwe heint afa jammru und schnättru, nummu ds Marjoosi ischt guraschierts giblibu. Wa de öü no an Chopf verbiischwimmt, packt nu ds Marjoosi an de Haaru, het nu in d Luft und meint: «Soo, denu Bäärner will i jetz a maal pschowwu!» Dreet nu um – und, äss ischt der Sepp, iro Ma!
Uff dum Text uununadra/dernäbu, chänt ier jetz no an parr Sache uber di Waarschinlichkeit und du Wahrheitsgihalt va dene Sage naläsu: Simutantext und Audio: hier
Bild: Eril um 1945. Ludwig Imesch: Das Oberwallis im Bild. Rotten Verlag, Visp, 1980, Bd. 2, S. 156
Nach dem Motto: «Wes nit waar ischt, ischts de as Gschichtji!» möchte ich hier den Wahrheitsgehalt dieser Sage einmal etwas genauer untersuchen. Es handelt sich im Kern (Kopf des Ehemanns) um eine Wandersage, man findet sie z.B. in der Sammlung «Illustriete Wallisersagen[1]», «Der Kopf als Bot» S. 43 aus dem Unterwallis. Der historische Kern der Sage stimmt, es gab die «Rarnerkriege» gegen die Berner, zwei Mal zogen die Berner über die Pässe und vor allem raubend und mordend über die Grimsel bis nach Ulrichen, dort fanden tatsächlich zwei Schlachten statt (1211 und 1419), scheinbar mit einem Sieg der Walliser (vgl. das Kreuz links der Strasse zwischen Ulrichen und Obergesteln), aber die Berner zogen sich wohl eher vor dem drohenden Schneefall zurück, da es Oktober war, wollten sie noch schnell nach Hause, bevor die Pässe unpassierbar waren. Irrtümlich ist auch der Begriff «Rarnerkriege», denn im ersten Krieg (1211) ging es gegen die Herren von Turm aus Niedergesteln, erst im zweiten kämpfte man dann gegen die Herren von Raron.
Wie beliebig die Sage ihren Ort auswählt, zeigt sich an unserem Schlachtort: «Rooti Chumma» im Baltschiedertal, wer sich auf einer Karte einen Überblick verschafft, stellt problemlos fest, dass man an vielen Orten von Bern her ins Wallis eindringen kann, die Pässe Rawyl, Sanescht, Lötschen und Grimsel, über die paar Furggen, wie Birgsattel, Wätterlicka, Schmadrijoch, Grossjoch und Mittagsjoch, aber alle diese Furggen sind über 3000 Meter und führen erst noch ins Lötschental, das Gletscherjoch und das Jungfraujoch führen dann wieder zum Altschgletscher. Also muss der Schlachtort «Roti Chuma» reine Fantasie sein. Arber warum dann? Heute ist die «Roti Chumma» eine Bermulde weit ober halb der Alpe Eril ein unzugänglicher, fusswegloser, abgelegener Ort, aber ich erinnere mich noch als Hirt in der Alpe Eril. Wir mussten manchmal die Ziegen aus der Alpe treiben und dabei sind wir auch einen breiten Saumweg in die «Roti Chumma» (2700) hochgestiegen und da trafen wir auf eine ganz Dorfruine, wir fanden Felsenstollen: war das das Lager der Berner? Hier fand die Schlacht statt. Wir erfuhren dann, dass man hier in den Jahren 1940 – 45 Molybdän (Mo, OZ 42) abgebaut hatte, ein seltenes Metall, das zur Härtung von Stahl (insbesondere Munition) diente. Nach dem Krieg wurde der Abbau eingestellt und mit dem Verfall des Bergwerks, verfiel auch die Erinnerung und der Ort bot sich an, in eine Sage eingebaut zu werden, denn der Spruch: «In der Rootu Chummu, kcheert mu schoo der Rarnerru trummu.» tönt halt gut und wie sagte schon Morgenstern in seinem «Das ästhetische Wiesel»: «… das Mondkalb verriet es mir im Stillen, das rafinierte Tier tat’s um des Reimes Willen.»
Iischi Sage, well wer nit uff di Goldwaaga leggu!
Volmar Schmid, Bürchen, im Coronajahr am 9. Dez.
[1] Ebener: Illustrierte Wallisersagen. Rotten Verlag, Visp, 3. Aufl. 2008